Obstbörse und WLAN-Café unterm Kirchturm
Madita Wierz
Die Kirche ist in vielen Orten auf dem Land der Dorfmittelpunkt und ein wichtiges Identifikationsmerkmal. Doch wenn sie leersteht oder nur selten für Gottesdienste genutzt wird, ist sie für die Pfarrgemeinde als Eigentümerin finanziell nicht mehr haltbar. Neue Nutzungsideen sind gefragt.
Im Projekt KirchRAUMPilot:innen entwickeln und erproben die Akteure der Hochschule Koblenz, das Bistum Trier und die Verbandsgemeinde Vordereifel gemeinsam neue Ideen für die Belebung von Kirchengebäuden, deren Zukunft unklar ist. Ziel ist es, mit erweiterten und unkonventionellen Nutzungen von Kirchenräumen neue Impulse für ländliche Räume zu geben. Damit sollen der Zusammenhalt in der Ortsgemeinschaft und das soziale Miteinander gestärkt werden und die bestehenden Kirchenräume in der Ortsmitte frischen Wind bekommen.
Bürgerinnen und Bürger bringen sich ehrenamtlich ein
Anfang des Jahres 2025 startete das Projekt KirchRAUMpilot:innen mit einem Presseaufruf an die Bürgerinnen und Bürger, sich zu beteiligen und KirchRAUMpilot:in zu werden. Dafür hatte die Hochschule Koblenz unter anderem 300 Akteure - Vereine und potentielle Multiplikatoren und Multiplikatorinnen - in der Verbandsgemeinde Vordereifel angesprochen und sämtliche Kirchengebäude in der Region mit einer Mindestgröße von 80 Quadratmetern erfasst. Die Auftaktveranstaltung auf Einladung der Verbundpartner des Projekts nahmen die Einwohnerinnen und Einwohner der Region gut an. Es haben sich in den kleinen Orten Kehrig, Kirchwald und Monreal drei Initiativgruppen gebildet. Sie haben in Teams von vier bis neun Personen neue Nutzungsideen erarbeitet, die ab 2026 in den Kirchen der drei Dörfer erprobt werden.
„Perspektivisch würde ich mich freuen, wenn der Ort Kirche wieder im Alltag der Menschen ankommt und mit vielfältigem Leben gefüllt wird“ (Anni Keiffenheim, engagierte Kirchraumpilotin aus Kehrig)
Viele kreative Formate entwickelt
Die Ideen reichen von WLAN-Cafés, Hausaufgabenbetreuung, generationenübergreifenden Spielenachmittagen über Fitnessangebote und Konzerte bis hin zum „fair-teilen“ von Erzeugnissen aus dem eigenen Garten. „Wir waren sehr froh über die rege Beteiligung von Jung bis Alt und die überwiegende Offenheit für das Thema“, so Lioba Speer, die das Projekt seitens der Hochschule Koblenz koordiniert. „Entscheidend wird am Ende auch sein, dass für die neuen Formate eine langfristige Perspektive besteht, dass sie gut angenommen werden und sich dauerhaft finanziell tragen“, so Speer.
Hochschule Koblenz
Das Logo des Projekts: Kirche und Dorf im Zusammenspiel
„Ich hoffe sehr, dass die KirchRAUMpilot:innen mit Mut ihre Projektideen weiterentwickeln. Zukunft kommt nicht einfach – sie wird von Menschen gemacht. Wenn Kirchenräume alltäglich genutzt werden, bleiben sie lebendige Orte der Gemeinschaft und leisten durch Ihre Nutzung zugleich einen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz“ (Prof. Peter Thomé, Initiator des Projekts von der Hochschule Koblenz)
Wenn die Nutzungskonzepte sich als erfolgreich erweisen, bleiben die Kirchengebäude als solche erhalten und es entstehen lebendige Treffpunkte für die Menschen im Ort. Das Bistum Trier erhofft sich auch im Hinblick auf seine Immobilienstrategie, dass die Prozesse des Modellprojekts übertragbar sind und so wichtige Ortsmittelpunkte in ländlichen Räumen stärken.
Wissenschaftlich betrachtet: Kultur unterm Kirchturm
Ein weiteres BULEplus-Projekt der Universität Vechta und der Augustana-Hochschule Neuendettelsau widmet sich der Bedeutung von Kirchen für die kulturelle Entwicklung von ländlichen Regionen aus wissenschaftlicher Perspektive. Das Forschungsprojekt „Kultur unterm Kirchturm“ befasst sich mit Frage, unter welchen Voraussetzungen es gelingt, dass Kirchen zu Orten für regionale Kultur werden und was dem entgegenstehen kann. Erste Ergebnisse und Handlungsempfehlungen zeichnen sich bereits ab: Kirchen können aufgrund ihrer öffentlich zugänglichen Räume ein wichtiger Kulturplayer sein. Für diese Funktion der Kirche zu sensibilisieren, trägt dazu bei, dass die Nutzungserweiterung der eigentlich sakralen Kirchenräume von den Menschen positiv aufgenommen wird. Es ist außerdem sinnvoll, die Zivilbevölkerung bei der Entwicklung von Kulturformaten mit einzubeziehen und auch mit Ehrenamtlichen zu arbeiten. Um die verschiedenen Akteure aus Kirche, Kulturbereich und Regionalentwicklung zusammenzubringen, ist es empfehlenswert, dass eine Person als „first mover“ die verschiedenen Bedarfe der Akteure im Blick hat und, wenn nötig, Brücken baut.