Die VoluMap
In diesem Projekt steht eine App für Spontanlösungen und spontane Helfer im Vordergrund. 'Volu' ist die Ableitung von Volunteer (= Freiwillige) und 'Map' steht für die kartengebundene Darstellung von Maßnahmen oder Projekten, für die akut Freiwillige benötigt und gesucht werden. Neben der Aktivierung von professionellen Organisationen und ehrenamtlich aufgestellten Hilfsorganisationen kann auch eine Einbindung sogenannter freier und ungebundener Helferinnen und Helfer erfolgen. Dadurch können auch Zielgruppen, die sich nicht langfristig binden wollen (z.B. junge Menschen) für ehrenamtliches Engagement für kurze Zeiträume bzw. einzelne Projekte gewonnen werden. Die Zielgruppe des Projekts stellen Spontanhelferinnen und -helfer dar. Darunter fallen in erster Linie die jüngeren Generationen. Generell ist die App ebenfalls für Menschen mit Behinderung sowie ältere Menschen ausgelegt. Eine Stärkung und Förderung des bürgerschaftlichen Engagements wird zukukunftsfähig gestaltet. Zum Projektkonsortium zählen: DRK, Malteser, Die Johanniter, Stadtsportverband, Bürgerstiftung Gütersloh, SV Avenwedde, Die Tafel, Stadtbibliothek, Die Morgenmacher (Jugendliche, die sich für die Digitalisierung begeistern und einbringen), AK Digitalisierung (Politik), Stadt Gütersloh: Ehrenamtskoordinatorin, Integrationsbeauftragter, Jugendparlament, Seniorenbeirat, Behindertenbeirat.
Hilfe und Ehrenamt sind unerlässlich für das gesellschaftliche Zusammenleben
Reportage über das Projekt VoluMap
Wer anderen helfen möchte, steht oft vor der Frage: Wo kann ich das tun und wen konkret kann ich am besten unterstützen? Im Kreisgebiet der Stadt Gütersloh bringt das Projekt VoluMap engagierte Bürgerinnen und Bürger mit Organisationen und Vereinen zusammen. Das belebt das Ehrenamt und Einzelpersonen können bei Katastrophen, oder wenn Menschen vor alltäglichen Herausforderungen stehen, spontan Hilfe leisten.

topocare GmbH
Elke Pauly-Teismann zeigt auf ihren Schreibtisch bei der Stadtverwaltung Gütersloh. „Bei mir laufen alle Fäden zusammen, wenn es darum geht, engagierte Personen an Organisationen und Vereine zu vermitteln oder im Gegenzug deren Unterstützungsgesuche an freiwillige Helferinnen und Helfer weiterzugeben“, erklärt sie. Pauly-Teismann ist im Fachbereich Ratsangelegenheiten und Bürgerdialog für die Ehrenamtskoordination zuständig.
Eigentlich ist hier nicht viel zu sehen. Das meiste geschieht über den PC und die dahinterliegende IT-Infrastruktur. Doch es sind die Menschen wie Elke Pauly-Teismann und Roland Draier, der Geschäftsführer von Topocare, die aus einer einfachen Idee ein Projekt machen, das in der Region vieles bewegt und aus Einzelpersonen eine starke Gemeinschaft macht. Über die App VoluMap bringen sie Menschen zusammen, die sonst vielleicht nicht zueinander gefunden hätten.

topocare GmbH
„Ohne Ehrenamt würde das gesellschaftliche Zusammenleben nicht funktionieren“, Roland Draier, Geschäftsführer von Topocare
Freiwillige werden gebraucht – zur richtigen Zeit am richtigen Ort
„Ohne Ehrenamt würde das gesellschaftliche Zusammenleben nicht funktionieren“, sagt Roland Draier. „Das gilt nicht nur bei Hochwasser und anderen Katastrophen, sondern auch im Kleinen und dort, wo Vereine und Organisationen Unterstützung bei punktuellen Aktionen benötigen.“ Im Auftrag der Stadt Gütersloh hat sein Unternehmen Topocare die App VoluMap entwickelt, die beide Seiten zusammenbringt. Die Idee dazu entstand bereits 2016. Topocare entwickelt seit Jahren innovative Lösungen für den Hochwasserschutz. Draier und sein Mitgeschäftsführer Simon Jegelka hatten sich schon länger Gedanken gemacht, wie sich der Einsatz von Spontanhelfenden durch digitale Technik besser koordinieren lässt.
Ob beim Elbe- oder beim Oder-Hochwasser, die Situation war meist die gleiche. Hunderte Freiwillige wollten Sandsäcke stapeln oder aufräumen, aber an ihrem Standort wurden sie nicht gebraucht und wieder weggeschickt. Einige Kilometer weiter entfernt jedoch benötigten THW, Feuerwehr und Betroffene dringend Unterstützung, ohne dass die Freiwilligen davon wussten oder Koordinierungsstellen das regeln konnten. Ähnlich war die Situation in vielen Kommunen, als 2015 zahlreiche Geflüchtete kamen. „Wenn sich 3.000 Menschen gleichzeitig spontan zur Unterstützung melden, ist das ein schönes Zeichen von Solidarität, aber dies bereitet vor Ort mehr Probleme als es löst“, ergänzt Draier.
„In den sozialen Netzwerken werden viele Aufrufe zur Mithilfe gestartet, was sehr wichtig ist“, führt Pauly-Teismann aus. „Aber es erfolgt meist keine Koordination, wo helfende Hände gebraucht werden und wo schon genügend Leute eingetroffen sind.“ Dabei sind alle diese sogenannten ungebundenen Helferinnen und Helfer äußerst wichtig und wertvoll, nicht nur bei Großereignissen, sondern vor allem auch im ganz alltäglichen Ehrenamt und Vereinsleben. VoluMap bringt diese ungebundenen Spontanhelferinnen und -helfer auf der einen und professionelle Organisationen auf der anderen Seite zusammen und unterstützt dabei, ihre Hilfsbereitschaft zu lenken und sie zum richtigen Zeitpunkt an der passenden Stelle einzusetzen.
Die App übernimmt die Koordinierungsfunktion, bei der die Freiwilligen sehen, ob, wo, von wem und in welchem Ausmaß Hilfe gebraucht wird. Das Ganze wird auf einer Landkarte angezeigt. „Wer helfen will, kann so sehen, welcher Verein im eigenen Wohnumfeld beispielsweise Leute sucht, die am kommenden Samstag für drei Stunden Zeit zur Verfügung stellen, um Würstchen beim Fußballspiel der D-Jugend zu grillen, um beim Sommerfest der Behinderteneinrichtung Bänke mitaufzustellen oder mit dem Bürgerverein Müll im Park zu sammeln“, verdeutlich Draier den Aufbau der App. Der Name VoluMap ist ein zusammengesetztes Kunstwort, das sich von den englischen Begriffen „volunteer” (= Freiwillige/r) und „map” (= Landkarte) ableitet.
Planungssicherheit und Informationsvermittlung von Anfang an
Die freiwilligen Helfenden können konkret mit Stichworten nach einem bestimmten Betätigungsfeld suchen oder nach Organisationen, die sie unterstützen möchten, und bieten die Mithilfe an. Sie können sich auch Nachrichten zusenden lassen, um sofort informiert zu werden, wenn ihr Verein Unterstützung benötigt. Der Vorteil dieses Vorgehens: Der anbietende Verein oder die Organisation wissen konkret, wie viele Helfende kommen werden. Sie haben Planungssicherheit und sie können die Helferinnen und Helfer bereits im Vorfeld mit notwendigen Informationen und Instruktionen versorgen oder sie bitten, bei einer anderen Aktion ihr Engagement zu zeigen.
Die Besonderheit am VoluMap-System ist nicht nur, dass die App angibt, wo Hilfe gebraucht wird und was getan werden muss. Wer helfen will, kann sich auch spontan und ungebunden engagieren, ohne einem Verein beitreten und sich langfristig einsetzen zu müssen. Die Erfahrung zeigt, dass immer mehr – und gerade auch junge – Menschen bereit sind, sich ehrenamtlich zu engagieren, sich aber nicht in feste Vereinsstrukturen einbinden lassen wollen. VoluMap funktioniert ohne weitere Verpflichtungen. „Aber natürlich können sich alle immer wieder neu engagieren und sich für weitere Hilfsaktionen melden. Genau das tun die Menschen in Gütersloh und im gesamten Kreis“, so Pauly-Teismann. „Ganz gleich, wo jemand Hilfe braucht, es finden sich immer wieder engagierte Bürgerinnen und Bürger. Gemeinsam bringen sie Gutes in Gang und fördern damit das Gemeinwohl.“
App ist an der Kommune angedockt
Das Recht, die App für ihre Zwecke zu nutzen, erhalten die Institutionen und Vereine von der Stadt Gütersloh. So wird gewährleistet, dass es sich um vertrauenswürdige Gruppen handelt. „Wir prüfen jeden Verein und jede Organisation genau, ehe wir sie mit Ehrenamtlichen zusammenbringen“, erläutert die Koordinatorin. „Wir legen auch Wert darauf, dass eine Person im Verein ‚den Hut aufhat‘ und als feste Ansprechpartnerin oder fester Ansprechpartner fungiert.“ So bleibt gewährleistet, dass es sich um seriöse Anfragen handelt, die den Qualitätskriterien der Freiwilligen-Arbeit entsprechen. Erst dann dürfen die Vereine und Organisationen Aufrufe und Hilfegesuche in der App posten. Natürlich hat sie immer das System und die Textbeiträge im Auge. Sie ist mit den Verantwortlichen in Kontakt und hilft auch bei Fragen und Problemen weiter.
Die App ist an der Kommune angedockt, schon damit der Einfluss nicht verloren geht und die Stadt im Katastrophenfall schnell und direkt Einsatzkräfte und Freiwillige koordinieren kann; aber auch damit der Datenschutz jederzeit gewährleistet wird. Denn für manche ist es eine größere Hürde, bestimmte Daten über sich zu nennen. Wer helfen will, muss dies jedoch nicht tun. Im Gegenteil, die App funktioniert auch anonym. „Wir haben einen IT-Dienstleistervertrag mit der Kommune geschlossen, der definiert, was die App leisten soll. Der Vertrag legt unter anderem fest, dass eine Weitergabe von Daten oder gar ein Verkauf für Werbezwecke verboten ist. Das ist auch ganz in unserem Sinn“, betont Draier.
Gleich nach dem App-Start die Corona-Pandemie
Für die Entwicklung der App hatten sich die Stadt Gütersloh und das Gütersloher Unternehmen Topocare erfolgreich um Fördermittel beworben: Im Herbst 2018 kam die Zusage über 136.500 Euro aus der BULEplus-Fördermaßnahme Land.Digital des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, in der es um die Chancen der Digitalisierung im ländlichen Raum geht und ohne die es die App nicht gegeben hätte. Zudem leistete die Stadt einen Eigenanteil in Höhe von rund 50.000 Euro. Die Förderphase durch das Bundesprogramm Ländliche Entwicklung und Regionale Wertschöpfung (BULEplus) endete am 31. Dezember 2020.
Doch VoluMap hatte einen heißen Start. Nach einem kurzen Test zum Jahresbeginn 2020 kam mit der Corona-Pandemie unmittelbar die Bewährungsprobe auf eine Weise, die sich vorher niemand hätte vorstellen können. Doch die App und das zugrundeliegende System konnte ihre Stärken in der Praxis erfolgreich deutlich machen. Viele Menschen boten in dieser Zeit Nachbarschaftshilfe und Unterstützung an und konnten direkt vermittelt werden. Wichtige Hilfen wurden so leicht realisierbar – wie etwa der Einkauf für Menschen, die nicht aus dem Haus gehen konnten, die Kinderbetreuung bei kurzfristiger Notlage, Transportfahrten mit dem Auto, um Essen auszufahren, oder ein regelmäßiges Telefongespräch, um der Einsamkeit bei alleinstehenden Personen entgegenzuwirken. Inzwischen ist VoluMap von der „Corona-Hilfe” wieder zu einer offenen Plattform für die ganze Bandbreite von Projekten im Bereich Soziales, Bildung und Kultur geworden.
Förderung des Ehrenamts in ländlichen Räumen
Wie wichtig ehrenamtliches Engagement in Deutschland gerade in der Zukunft sein wird, zeigt sich an den vielen Maßnahmen, die Institutionen und Gruppierungen aktuell anstoßen, um das Ehrenamt zu fördern. Das wird auch bei VoluMap für noch mehr Nachfrage sorgen. „Für uns alle ist es nicht wichtig, über welche Wege ehrenamtliche Arbeit vermittelt wird. Für uns ist wichtig, dass freiwillige Helferinnen und Helfer dort Möglichkeiten zum Einsatz finden, wo sie wirklich gebraucht werden, und dass sich möglichst viele Menschen engagieren“, stellt Pauly-Teismann fest.

topocare GmbH
Freiwilliges Ehrenamt ist immens wichtig, weil es die Gesellschaft stärkt und positive Veränderungen vorantreibt.
Ideal für die ländlichen Räume
VoluMap bietet eine passende und moderne Lösung für die Herausforderungen der ländlichen Räume an und ist auf andere Kommunen gut übertragbar. Inzwischen ist die App neben Gütersloh auch in den ländlichen Regionen von Bielefeld, Bad Honnef, Sankt Augustin und Sendenhorst im Einsatz. „Es fragen weitere Kommunen an und möchten mehr über unsere Erfahrungen wissen. Natürlich berate ich sie gern. Wir haben viel zu berichten und können bei der Umsetzung helfen“, merkt Pauly-Teismann an. „VoluMap ist aber nicht das Allheilmittel, mit dem sich alle Ehrenamtlichen in der Region einfach ‚einfangen‘ lassen. Es ist eine Kontaktmöglichkeit von vielen verschiedenen, aber es ist eine sehr wirkungsvolle und niederschwellige.“ Jede Kommune sei aber anders und viel hänge von den jeweiligen Akteuren vor Ort ab.
Vielfach ausgezeichnet
Dass VoluMap mit gutem Beispiel vorangeht, belegen die bisherigen Auszeichnungen. So ist die App eine von zehn Preisträgern im bundesweiten Wettbewerb Digitale Orte im Land der Ideen und im Projektwettbewerb Land.Voraus! wurde sie vom Netz der Regionen als „herausragendes Projekt zur Stärkung des ländlichen Raums“ prämiert.
Diese Reportage ist im Oktober 2023 in der BULEplus-Publikation „Der Weg in die digitale Zukunft“ erschienen.