Confugium - Kultureller Treffpunkt
Im Vorhaben wird das ungenutzte Pfarrhaus in Pouch umgestaltet und zu einem geistlichen, kulturellen, sozialen und bildungspolitischen Treffpunkt weiterentwickelt. Um in Zukunft eine multifunktionale Nutzung zu ermöglichen, werden die unteren drei Räume des Hauses im Rahmen des Projektes komplett umgebaut und barrierefrei gestaltet. Das Pfarrhaus bietet zukünftig ein Zufluchtsort für Initiativen und fördert durch ein breites Teilhabeangebot soziale Prozesse im Dorf. Dafür werden folgende Angebote umgesetzt: Seniorenfrühstück, Beschäftigungs- und Bildungsangebote für Seniorinnen und Senioren sowie Yoga- und Tanzkurse. Ab 2020 kommen zudem Instrumentalunterricht, Konzerte und Lesungen am Kamin, Sofakonzerte und ein Adventsmarkt in und um das Pfarrhaus hinzu. Außerdem werden die sehr gut angenommenen Weiterbildungsangebote zu den Themen Kindererziehung, Landwirtschaft/Gartenbau, Umweltbildung und religiöser Bildung ausgebaut. Das Projekt bietet einen neuartigen Ansatz im Umgang mit dem Leerstand von dörflichen Pfarrhäusern und innovative Lösungen für Bildungs- und Kulturangebote auf dem Land.
Neues Leben im alten Pfarrhaus
Reportage zum Projekt CONFUGIUM
Mit dem „CONFUGIUM“ (lateinisch für Begegnung) wurde in Pouch im Landkreis Anhalt-Bitterfeld (Sachsen-Anhalt) das leerstehende Pfarrhaus zu einem Ort des Miteinanders umgestaltet. Neben Sofakonzerten, Yogakursen oder einer Digitalsprechstunde werden das ganze Jahr zahlreiche kulturelle, religiöse, sportliche, musische oder digitale Angebote für Jung und Alt organisiert.

Andrea Kleie
Initiiert wurde das Projekt von Menschen aus Pouch, die Spaß an Geselligkeit haben, freiwillig gestalten und anpacken wollen. „Anpacken“ war auch das Stichwort von Pfarrerin Bettina Lampadius-Gaube. Nach Auszug der letzten Mietpartei im Herbst 2016 musste die Nutzung des Pfarrhauses überdacht werden. Nach der Zentralisierung der Kirchengemeinden war klar, dass keine Pfarrerin und kein Pfarrer wieder Anspruch auf den Wohnraum erheben würden. Alle anderen Gemeinden im Umfeld hatten ihre leerstehenden Pfarrhäuser verkauft oder abgerissen. Die Gemeinderäume waren in einem renovierungsbedürftigen Zustand und wurden nur viermal im Monat genutzt. „Dies hätte einen Erhalt des ganzen Hauses für die Kirchengemeinde nicht gerechtfertigt“, berichtet Bettina Lampadius‑Gaube.
Frische Ideen für die alten Räume
Zuerst wurden die Kinder und Jugendlichen von Pouch aktiv: Sie wünschten sich schon lange einen Raum, denn einen Jugendclub mit eigenen Räumlichkeiten gab es im Dorf, in dem rund 1.560 Menschen wohnen, nicht. Nahezu in Eigenregie stellten sie 2017 einen Förderantrag bei der Ikea‑Stiftung und hatten Erfolg. Damit wurde die Renovierung nach ihren Vorstellungen finanziert und die Poucher Jugend bezog einen schönen neuen Raum als Treffpunkt.
Für Bettina Lampadius‑Gaube und die ehrenamtlich Aktiven aus der Gemeinde und dem Ort stellte sich nun die Frage, was mit den übrigen Gemeinderäumen geschehen sollte. Beim Johannisfest 2018 waren alle Gäste eingeladen, ihre Wünsche direkt auf die alten Wände zu schreiben. Vielfältige Ideen kamen zusammen, wie Konzerte, Lesungen, Filmvorführungen, Sportkurse oder Kunstnachmittage. Gewünscht wurde auch ein barrierefreier Zugang für Kinderwagen und Rollator, da rutschige Treppenstufen und ein wackliges Geländer den Zugang für bewegungsbeeinträchtige Personen behinderten.
2019 konnte mit Mitteln aus dem Förderprogramm Regionale Ländliche Entwicklung des Landes Sachsen‑Anhalt ein barrierefreier Zugang umgesetzt werden. Die LandKULTUR‑Förderung ermöglichte, weitere Räume im Haus auf funktionale, flexible und barrierefreie Weise umzubauen und barrierefreie Zugänge zu allen Räumen zu schaffen. Zusätzliche finanzielle Unterstützung kam vom Kirchenkreis sowie durch Spenden der Gemeinde.

Bettina Lampadius-Gaube
Ein Treffpunkt, der für alle erreichbar ist
Mit den renovierten Räumen steht das CONFUGIUM nicht nur den Mitgliedern der Kirchengemeinde, sondern allen Bewohnerinnen und Bewohnern von Pouch offen. Nach der Schlüsselübergabe im März 2020, mitten im pandemiebedingten Lockdown, blieb es still im CONFUGIUM. Die geplanten Veranstaltungen mussten ausgesetzt werden. Inzwischen wurde das Programm wieder rege aufgenommen. Der Zugang ist bewusst niedrigschwellig gehalten: Jeder kann eine gemeinsame Aktivität anbieten, so wurden schon Yogakurse und Malworkshops veranstaltet.
Großer Beliebtheit erfreuen sich die Sofakonzerte. Statt in eine größere Stadt zu fahren, um etwas zu erleben, kommt nun das Konzert ins Haus. Beim Café Digital erwerben Seniorinnen und Senioren bei Kaffee und Kuchen Kompetenzen im Umgang mit digitalen Medien. Besonders freut Bettina Lampadius-Gaube, dass sich Tandempartnerschaften zwischen ihnen und Jugendlichen der Gemeinde gebildet haben.
„Rein kulinarische oder Bildungsangebote bieten wir nicht an, denn wir wollen keine Konkurrenz zu Gaststätten oder der Volkshochschule sein, sondern das, was der Name des Hauses sagt – ein Ort der Begegnung, ein CONFUGIUM“, sagt Bettina Lampadius‑Gaube. Besonders wichtig sind ihr und allen Aktiven, dass alle Angebote generationsübergreifend konzipiert werden und die ganze Familie und alle Altersgruppen einbeziehen: Beim Kindertanzen treffen sich parallel die Eltern in Küche und Garten und bei den Sofakonzerten sind die Kleinen begeisterte Verteiler von Snacks und Getränken.

Judith Heimann
Kreativ auf der Suche nach Fördermöglichkeiten
Nach dem Auslaufen der BULEplus‑Förderung stellte sich Bettina Lampadius‑Gaube und ihrem Team die Frage, wie sie das CONFUGIUM als soziale Initiative auch auf lange Sicht gut aufstellen können. Eine Bewerbung bei startsocial, dem bundesweiten Wettbewerb zur Förderung von ehrenamtlichem sozialem Engagement, war erfolgreich. Die Würdigung durch den Schirmherrn, Bundeskanzler Olaf Scholz, war für alle Beteiligten ein besonderer Moment der Wertschätzung. Neben dem Preisgeld waren vor allem die professionellen beiden Coaches, die ihnen über vier Monate lang zur Seite gestellt wurden, sehr gewinnbringend. In den Coachings entstand auch die Idee einer Jahresgruppe. Gewachsen ist eine Gruppe von circa 15 Aktiven, die sich Monat für Monat treffen und das Jahresprogramm planen. Auf Empfehlung hin wurde die Öffentlichkeitsarbeit ausgebaut, ein Logo entwickelt und eine Website erstellt, die selbständig von einer Jugendlichen aus der Jahresgruppe gepflegt wird.

Judith Heimann
Etwas gebacken bekommen
Als 2021 bei Aufräumarbeiten im Wirtschaftsgebäude ein gut erhaltener Lehmbackofen entdeckt wurde, war schnell klar, dass diese alte Tradition erhalten bleiben soll. Für die Restaurierung konnten über die Beratungsstelle zur Quartiersentwicklung Sachsen‑Anhalt 20.000 Euro Fördermittel eingeworben werden – es fehlte nur noch der Eigenanteil von 1.000 Euro. Die Jahresgruppe wurde kreativ: Mit Gutscheinen für zukünftige Backtage, einer interaktiven Dankeskarte und einer starken Präsentation gewannen sie beim mitteldeutschen Fundraisingpreis das fehlende Eigenkapital. Regionale Handwerker und die Jugendbauhütte Quedlinburg der Deutschen Stiftung Denkmalschutz restaurierten das Backhaus in Rekordzeit. Pünktlich zum Erntedankfest konnten alle Helfenden zu selbst gebackenem Brot und Kuchen aus dem frisch restaurierten Ofen eingeladen werden.
Ein eigener Workshop zu den beiden Aspekten „Mehl und Lehm“ fand 2023 erstmals statt. Interessierte konnten sich ein ganzes Wochenende über den Baustoff und die Backzutat informieren. Neben einem Spaziergang zu historischen Lehmhäusern in Pouch und spannenden Fachvorträgen, stießen besonders die Gestaltung von Lehmkunstwerken und das gemeinsame Backen – frei nach dem Motto „Hier kriegen wir etwas gebacken!“ – auf großen Anklang. Weitere Workshops sind bereits in Planung. Den Austausch mit den Referierenden und Lehmbauern empfand Bettina Lampadius‑Gaube als besonders inspirierend: „Wir brauchen Begegnung und beständigen Austausch!“ Auch der Kontakt zu LandKULTUR‑Projekten hat sich für die Jahresgruppe bewährt „Aus dem Vernetzungstreffen in Hofgeismar im März 2023 haben wir viel mitgenommen an inspirierenden Projekten und Hilfen bei der Suche nach Fördermitteln.“ Für Projekte, die Ähnliches anstoßen möchten, hat die Initiatorin noch einen konkreten Rat: „Bevor ihr anfangt, seid dankbar, für das, was ihr schon habt, dann hört genau hin, was Not tut und beginnt darauf, eure Vision zu entwickeln. Über allem, vergesst das Feiern nicht – dass es euch gibt, was ihr erreicht habt.“
„Danke“ wurde allen Ehrenamtlichen mit einer Dankesveranstaltung zum Jahresabschluss 2023 gesagt. Eingeladen war dazu das Improvisationstheater „Kaltstart“ aus Halle (Saale). Sie verwandelten die Impulse der Eingeladenen zum Thema Ehrenamt und Dankeschön in fröhliche und nachdenkliche Theaterszenen. „Dass es uns gibt, dass wir gemeinsam so viel bewegen können und dass das CONFUGIUM nun statt viermal im Monat mindestens viermal in der Woche belebt wird“, sind für die Initiatorin die größten Erfolge, für die die LandKULTUR-Förderung die Basis gelegt hat.

Bettina Lampadius-Gaube
Dieser Beitrag ist im Februar 2024 in der BULEplus-Publikation „LandKULTUR: kreativ und engagiert“ erschienen.