Kultur als Transformations- und Resilienzfaktor, Teilvorhaben Wissensdynamik und Resilienz
Laufzeit
Förderung
Faktor K – Forschung zum Faktor Kultur in ländlichen RäumenProjektort
Freyburg (Unstrut)
Das Verbundprojekt KulTRes setzt sich mit der besonderen Rolle kultureller Angebote und kultureller Teilhabe in regionalen Transformationsprozessen in ländlichen Regionen und zu beobachtenden Veränderungen dieser Wechselbeziehungen zwischen kultureller Aktivität und regionaler Transformation durch verstärkte Zuwanderung und Digitalisierung auseinander. Hierzu gibt drei Forschungsfragen die untersucht werden. Die erste bezieht sich auf Wechselwirkungen zwischen demografischen Veränderungen in ländlichen Regionen und damit verbundene Anpassungen in der kulturellen Angebots- und Akteursstruktur in diesen Regionen. Die zweite Frage zielt auf den Einfluss digitalisierter kultureller Angebote auf die Vernetzungen und Aktivitäten in den untersuchten ländlichen Regionen. Mit der dritten Forschungsfrage werden für die untersuchten ländlichen Regionen die Auswirkungen der Strukturen, Prozesse und Inhalte im kulturellen Bereich ländlicher Regionen auf die regionalen Transformations- und Resilienzressourcen analysiert. Zur Beantwortung dieser Fragen übernimmt die HTWK Leipzig neben einer strukturellen und inhaltlichen Aufbereitung des kulturellen Angebots in den Untersuchungsregionen eine Diskursanalyse zur Verknüpfung von Narrativen in den Untersuchungsregionen mit dem kulturellen Angebot und eine Untersuchung der Resilienzressourcen in den Regionen zum Umgang mit ausgewählten Krisen. Die Goldmedia GmbH befasst sich mit Standort- und Netzwerkanalyse.
"Dritte Orte sind zentral für Zusammenhalt und Dialog"
Wie verändert sich das Leben in ländlichen Regionen – und welche Rolle spielt Kultur dabei? Wie unterstützt Kultur die Gemeinschaft dabei, mit Krisen und strukturellem Wandel umzugehen? Diese Fragen werden im BULEplus-Forschungsprojekt „Kultur als Transformations- und Resilienzfaktor in ländlichen Räumen“ untersucht.
Auf dem diesjährigen Überland Festival haben die Forschenden im Rahmen eines Workshops mit den Teilnehmenden über Kultur als Transformations- und Resilienzfaktor diskutiert. Anne Rauchbach von der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsprojekt KulTRes und berichtet im Interview, welche Rolle Kultur bei Veränderungsprozessen spielt und wie sie Gemeinschaften dabei unterstützt, mit Krisen und strukturellem Wandel umzugehen.
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Anne Rauchbach von der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsprojekt KulTRes
BULEplus-Redaktion: Worum geht es in Ihrem Projekt, also was genau ist unter Kultur als Transformations- und Resilienzfaktor zu verstehen?
Frau Rauchbach: Im Kern geht es darum zu verstehen, welche Rolle Kultur in ländlichen Räumen spielt – ob und wie sie Transformationsprozesse begleiten oder sogar anstoßen kann, und ob sie auch zur Bewältigung von Krisen beiträgt. Dabei geht es sowohl um kulturelle Akteurinnen und Akteure als auch um die Bevölkerung selbst: Wenn etwa junge Menschen wegziehen, beeinflusst das ja auch die Angebotsstruktur und Inhalte kultureller Angebote. Wir gehen der Frage nach, wie sich Kultur und ihre Akteure an solche Veränderungen anpassen.
Wir untersuchen dies in drei Regionen: dem Kreis Höxter in Nordrhein-Westfalen, dem Landkreis Prignitz in Brandenburg und dem Burgenlandkreis in Sachsen-Anhalt. Diese Auswahl ist bewusst getroffen worden– nach geografischen, sozioökonomischen und strukturellen Kriterien – also etwa der Lage zu Ballungsräumen oder dem sogenannten Zukunftsatlas. Im Zuge des Projektes fiel auf, dass der Begriff Transformation regional sehr unterschiedlich verstanden wird. Im Kreis Höxter fragten viele erst einmal, was wir überhaupt damit meinen. In Ostdeutschland hingegen ist Transformation stark mit der politischen Wende verknüpft – viele erlebten sie als etwas Belastendes oder Verlustbehaftetes. Gerade dort, wo solche Erfahrungen besonders präsent sind, entstehen jedoch oft neue kulturelle Impulse.
BULEplus-Redaktion: Haben Sie aus Ihren Forschungen ein konkretes Beispiel für einen gelungenen Transformationsprozess?
Frau Rauchbach: In Zeitz etwa gab es die sogenannte ‚Geisterstraße‘. Viele Häuser standen dort leer. Ein Kunstkollektiv hat eine alte Bibliothek wiederbelebt. Heute finden dort Workshops und Veranstaltungen statt, oft mit offenen Türen – Menschen kommen wieder hinein und erinnern sich: Hier war ich vor 20 Jahren das letzte Mal. Das zeigt sehr schön, wie Kultur Leerstand transformieren kann – durch neue Bedeutung, Begegnung und emotionalen Bezug.
BULEplus-Redaktion: Wie haben Sie die Teilnehmenden Ihres Workshops beim Überland Festival an das Thema herangeführt?
Frau Rauchbach: Der Workshop auf dem Überland-Festival war bewusst offen angelegt. Ziel war, gemeinsam zu erarbeiten, welche Rolle Kultur in ländlichen Räumen in Transformationsprozessen spielt – und zwar nicht nur in den drei Untersuchungsregionen. Ich wollte die Teilnehmenden dazu anregen, die Situation in ihren eigenen Regionen zu reflektieren: Welche Herausforderungen gibt es vor Ort? Was kann Kultur leisten? Viele der Teilnehmenden waren selbst im ländlichen Raum aktiv, in Vereinen, Initiativen oder der Kulturarbeit. Einige stammten ursprünglich vom Land, leben inzwischen aber in größeren Städten. Es war eine spannende Mischung. Viele hatten einen kulturellen oder soziologischen Hintergrund, etwa aus den Bereichen Regionalentwicklung oder gesellschaftlicher Wandel.
Zu Beginn wurde diskutiert, was Kultur im ländlichen Raum überhaupt bedeutet. Da wurden ganz unterschiedliche Sichtweisen geäußert: Für manche ist Kultur gleich Kunst, für andere ist es Alltagskultur – also wie man miteinander umgeht, kommuniziert oder sich begegnet. Diese Vielfalt an Kulturverständnissen hat sofort eine lebhafte Diskussion ausgelöst.
BULEplus-Redaktion: Welche Erkenntnisse haben Sie selbst aus der Diskussion mitgenommen?
Frau Rauchbach: Ein zentraler Resilienzfaktor sind Orte der Begegnung. Es wurde deutlich, wie wichtig es ist, dass es Räume gibt, in denen Austausch, Vernetzung und kulturelle Aktivitäten stattfinden können. Diese ‚dritten Orte‘ sind zentral für Zusammenhalt und Dialog. Fördergelder sind dabei nicht immer entscheidend. Manchmal reicht es, wenn Menschen sich untereinander vernetzen, Ressourcen teilen – Bänke, Technik, Räume – und gemeinsam etwas auf die Beine stellen.
Auch der Umgang mit Traditionen wurde beleuchtet. Kultur darf nicht museal werden. Sie muss sich mitentwickeln, sonst verliert sie ihre Bedeutung. Das Beispiel der Osterreiter in Bautzen zeigt, wie Bräuche sich öffnen und anpassen müssen, um relevant zu bleiben und neue gesellschaftliche Realitäten widerzuspiegeln.
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Kultur ist nicht nur ein Spiegel gesellschaftlicher Veränderungen, sondern selbst eine treibende Kraft oder Wegbegleiter in sich ändernden Zeiten. Wenn Menschen nach dem Workshop anfangen, über Wandel und Kultur nachzudenken, dann hat der Workshop schon erreicht, was er sollte.